Aiwanger: "Wir lassen nicht zu, dass der Bund die Länder aus der Regulierung der Strom- und Gasnetze herausdrängt. Notfalls ziehen wir vors Bundesverfassungsgericht."

MÜNCHEN Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger kritisiert das geplante Vorgehen der Bundesregierung bei der Überarbeitung des Energiewirtschaftsgesetzes. In einem aktuellen Vorschlag sollen künftig die unabhängigen Regulierungsbehörden der Länder von der Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens für die Strom- und Gasversorgungsnetze ausgeschlossen werden.

 

Aiwanger: „Beim Bund hat wohl niemand aus der jüngsten Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht gelernt. Wie schon beim Heizungsgesetz will man auch bei der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes mit dem Kopf durch die Wand. Durch das neue Energiewirtschaftsgesetz versucht der Bund, die Länder aus der Regulierung der Strom- und Gasversorgungsnetze herauszudrängen. Der Bundesnetzagentur würde es ermöglicht, kleinere bayerische Netzbetreiber durch strenge Regulierungsvorgaben buchstäblich an die Wand zu drücken.“

 

Durch die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes soll allein die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde des Bundes über Allgemeinverfügungen und im Alleingang den rechtlichen Rahmen für die Regulierung der Strom- und Gasnetze schaffen dürfen. Bisher wurden die Regulierungsvorgaben in Rechtsverordnungen der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates geregelt. Diese Rechtsverordnungen werden in den kommenden Jahren schrittweise außer Kraft treten und sollen durch Allgemeinverfügungen der Bundesnetzagentur ersetzt werden. Die Allgemeinverfügungen werden direkt auch für die unabhängigen Landesregulierungsbehörden und für die Netzbetreiber in deren Zuständigkeit verbindlich sein.

 

„In Bayern existiert eine im bundesweiten Vergleich besonders kleinteilige Netzbetreiberstruktur, die historisch gewachsen ist. Unsere bayerischen Verteilernetzbetreiber sind dringend darauf angewiesen, dass die künftigen Regulierungsvorgaben diese regionale Besonderheit berücksichtigen. Es darf bezweifelt werden, dass die Bundesnetzagentur beim Erlass ihrer Allgemeinverfügungen auf solche bayerische Interessen Rücksicht nehmen wird“, erläutert Aiwanger. Der Minister befürchtet, dass viele kleinere Netzbetreiber in Bayern diesem Druck aus Bonn nicht auf Dauer standhalten werden und kündigt an: „Wir lassen nicht zu, dass unabhängige Regulierungsbehörden der Länder im Grunde zu nachgeordneten Dienststellen der Bundesnetzagentur herabgestuft werden. Notfalls ziehen wir vors Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und lassen das überarbeitete Energiewirtschaftsgesetz überprüfen.“

 

Hintergrund:

Im deutschen Energiewirtschaftsrecht sind die Regulierungsaufgaben zwischen der Bundesnetzagentur und den Regulierungsbehörden der Länder aufgeteilt. In Bayern werden die Aufgaben der Landesregulierungsbehörde durch die unabhängige Regulierungskammer des Freistaats Bayern wahrgenommen, in deren Zuständigkeit etwa 350 kleinere Strom- und Gasverteilernetzbetreiber fallen. Viele dieser Unternehmen befinden sich als Stadt- oder Gemeindewerke ganz oder teilweise in kommunaler Hand.

 

Nach der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist der Gesetzesvollzug grundsätzlich Sache der Länder. Bei den Verwaltungen des Bundes und der Länder handelt es sich um organisatorisch und funktionell voneinander getrennte Einheiten. Eine Mischverwaltung zwischen Bundes- und Landesbehörden ist regelmäßig verfassungsrechtlich unzulässig. Eine Abweichung von diesen Grundsätzen ist nur bei Vorliegen einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Regelung sowie in engen Grenzen zulässig und bedarf zudem einer Zustimmung des Bundesrates.

 

Die zweite und dritte Lesung der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes im Bundestag sind am 28. und 29. September 2023 geplant. Die abschließende Befassung des Bundesrates soll am 20. Oktober 2023 erfolgen. Das Inkrafttreten des novellierten Energiewirtschaftsgesetzes ist für den Spätherbst 2023 geplant.

 

Ansprechpartnerin:

Dr. Aneta Ufert, stellv. Pressesprecherin


Pressemitteilung-Nr. 295/23
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