Bayerischer Energiepreis 2020
Die Auszeichnung für die Pioniere der Energiewende
Wie schafft es ein Unternehmen, CO2-neutral zu produzieren? Welche Vorteile bringt ein Kältenetz? Warum dreht der Beamtenanwärter seinem Chef die Heizung ab? Antworten auf diese Fragen liefern die Energiepreisprojekte 2020. Die große Resonanz von 170 eingereichten Online-Bewerbungen zeigt das starke Interesse bei Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Organisationen an der renommierten Auszeichnung „Bayerischer Energiepreis 2020“. Die eingereichten Energieprojekte zeigen: Unsere Energiezukunft sieht vielfältig aus.
Die Verleihung des Bayerischen Energiepreises fand am 22. Oktober 2020 im Festsaal des Bayerischen Wirtschaftsministeriums in München statt. Die Pioniere der Energiewende durften die Auszeichnung aus den Händen des Bayerischen Wirtschafts- und Energieministers Hubert Aiwanger in Empfang nehmen.
Die Bandbreite der Projekte reichte von innovativer Spitzentechnologie zur Energieeinsparung über vorbildhafte kommunale Energieprojekte bis hin zu wegweisenden Forschungsprojekten.

Hauptpreis und acht Preise in den Kategorien:
Energieeffizienz in industriellen Prozessen und Produktion sowie Energieeffizienznetzwerke
Energieerzeugung – Strom, Wärme
Energieverteilung und Speicherung – Strom, Wärme
Produkte und Anwendungen
Gebäude als Energiesystem/Gebäudekonzept
Kommunale Energiekonzepte
Initiativen/Bildungsprojekte
Energieforschung – Nachwuchsförderpreis
Teilnehmen konnten:
- Unternehmen
- Städte, Landkreise, Gemeinden
- Hochschulen oder andere Forschungseinrichtungen
Insgesamt wurde ein Preisgeld in Höhe von 31.000 Euro ausgelobt, davon erhielt der Hauptpreisträger 10.000 Euro.
Preisträger 2020
Kurtz GmbH
Chemiefreies Recycling von EPS-Material durch Radiofrequenz-Fusionstechnologie
Circa 30 Prozent des gesamten Endenergiebedarfs in Deutschland entfallen auf die Industrie. Es wird daher immer wichtiger, mit Unternehmergeist neue Technologien zu entwickeln, die sowohl Energie als auch CO2-Emissionen einsparen. Mit der neuesten Radiofrequenz (RF)-Fusionstechnologie, die das Herzstück der Kurtz WAVE FOAMER Anlagen ist, wird das Verschweißen von Partikelschäumen (wie beispielweise EPS, Styropor) zu Formteilen ohne Dampf und Wasserkühlung möglich: Diese Verschweißung erfolgt mittels elektromagnetischer Wellen von innen nach außen. Dieses innovative Herstellungsverfahren spart im Vergleich zum herkömmlichen Herstellungsverfahren ca. 70 Prozent an CO2-Emissionen und 90 Prozent an Primärenergie. Dies ist eine enorme Effizienzsteigerung. Zudem lässt sich in diesem Verfahren EPS mit einem deutlich höheren Rezyklatanteil verarbeiten: bis zu 100 Prozent - im Vergleich zu 20 Prozent im herkömmlichen Verfahren.
Partikelschäume eignen sich durch ihre hohe dynamische und statische Stoßbelastbarkeit, ihr geringes Eigengewicht und ihre hohen Dämmeigenschaften hervorragend für den Leichtbau. Neben der Bau- und Verpackungsindustrie liegen potenzielle Anwendungsfelder in der Elektromobilität. Auch wie die Technologie entwickelt wurde, hat Vorzeigecharakter: So wurde von der Firma Kurtz im Zuge eines Förderprojekts vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie in Zusammenarbeit mit einem DAX-Unternehmen die Basis der RF-Technologie für Partikelschäume entwickelt. Für die Kunststoffindustrie hat die neue RF-Technologie eine herausragende Vorbildfunktion. Die Technologie kann auch auf weitere Anwendungsbereiche übertragen werden und leistet somit einen erheblichen Beitrag zur nachhaltigen sowie wirtschaftlichen Effizienzsteigerung. Die Kurtz Holding ist ein inhabergeführtes Familienunternehmen in der mittlerweile 6. Generation mit Hauptsitz im Spessart und über 240-jähriger Familiengeschichte. Als Maschinenbau- und Technologiekonzern mit weltweiten Präsenzen setzt Kurtz auf langfristiges und nachhaltiges Wachstum. 1.300 Mitarbeiter arbeiten täglich daran, die Technologien und Lösungen der Bereiche Electronics Production Equipment, Moulding Machines und Automation voranzutreiben. Mit einem Exportanteil von 80 Prozent ist Kurtz ein „hidden champion“ und mit einer Ausbildungsquote von 10 Prozent ein vorbildlicher Ausbildungsbetrieb.
IGS - Ingenieurbüro für Energie- und Umwelttechnik & Brauerei Aying Franz Inselkammer KG
Flaschenreinigungsmaschine mit Hochtemperaturwärmepumpe in Verbindung mit BHKW
Flaschenreinigungsmaschinen stellen neben dem Sudhaus den zweitgrößten Energie- und Wasserverbraucher in Brauereien dar. Die Schmutzflaschen durchlaufen die verschiedenen Stationen der Maschine und müssen nach Durchlauf des heißen Laugebades stufenweise gespült und rückgekühlt werden. Der Wasserbedarf zur Rückkühlung begrenzt dabei üblicherweise die Möglichkeiten zur Wassereinsparung.
Bei der zugrundeliegenden Erfindung kommt eine Hochtemperaturwärmepumpe (HTWP) zum Einsatz, durch die das Wasser in den Nachbehandlungszonen und damit die durchlaufenden Flaschen gekühlt werden. Über die HTWP wird die Wärme auf ein höheres Temperaturniveau gehoben und steht als Heizmedium für das Laugebad zur Verfügung. Die HTWP wirkt somit doppelseitig, indem am einen Ende gekühlt und am anderen Ende geheizt wird. Sowohl beim Aufheizen der Flaschenreinigungsmaschine als auch im laufenden Betrieb wird der Strombedarf der HTWP über den Eigenstrom aus dem Blockheizkraftwerk (BHKW) gedeckt. Das Nachheizen über den Energiespeicher des BHKW in der Übergangszeit und im Sommer führt zu einer besseren Auslastung des BHKW. Die darüber hinausgehende Eigenstromerzeugung dient zur Abdeckung des betrieblichen Strombedarfs.
Die Energie- und Ressourceneinsparung ist nachweislich enorm: Beim Primärenergie-(PE-) bedarf liegt die Einsparung gegenüber der alten Flaschenreinigungsmaschine bei 83 Prozent bzw. gegenüber der neuen Maschine bei 38 Prozent.
Das Verfahren kann in anderen Betrieben derselben Branche, aber auch in verwandten Branchen wie Abfüllung von alkoholfreien Getränken, Säften, Wasser und Milch übertragen werden. Die zugrundeliegende Erfindung geht auf Dr. Georg Schu zurück, wurde durch die KRONES AG übernommen und patentiert und in der Brauerei Aying Franz Inselkammer KG erstmals in die Praxis umgesetzt. Die Jury würdigt die beispielhafte und sinnvolle Anwendung der doppelseitig wirksamen Hochtemperaturwärmepumpe und weiterer innovativer Komponenten.
Stadt Freilassing
Energieverbund Freilassing (ENVER)
Der Wärmeverbund in Freilassing verbindet die Grund- und Mittelschule, die Freizeitanlage Badylon, die Kläranlage, das Jugendvereinsheim und den Bauhof über ein Wärmenetz mit 936 Meter Länge. Die Wärmeerzeugung erfolgt über einen Biomassekessel, zwei Klärgas-BHKW-Anlagen, ein Erdgas-BHKW und einen Gas-Spitzenlastkessel.
Bei einer Wärmebelegungsdichte von 3.860 kWh/m pro Jahr beträgt der Netzverlust lediglich 5,2 Prozent.
Die Liegenschaften werden auch elektrisch über 4.200 Meter Stromkabel miteinander verknüpft. Über einen gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt wurde ein Arealstromnetz zum Austausch von Strom zwischen den einzelnen Liegenschaften errichtet.
Erneuerbarer Strom aus den eigenen Photovoltaikanlagen und den drei BHKW-Systemen kann so genutzt werden, dass ein Batteriespeicher nicht erforderlich ist. Vorgelagerte Netzebenen werden weder durch Stromrückspeisung noch durch Strombezug belastet. Durch eine intelligente Betriebsführungsstrategie mit drei PV-Anlagen, einem Klärgasspeicher und drei hocheffizienten BHKW-Systemen soll ganzjährig kein Strom aus dem öffentlichen Netz benötigt werden. Damit wird 90 Prozent der im Areal insgesamt benötigten elektrischen Energie zeitgleich erzeugt und verbraucht und muss nicht zwischengespeichert werden. Gegenüber der bisherigen konventionellen Energieversorgung über das öffentliche Netz und Gaskessel können jährlich 450 t CO2 eingespart werden.
Der Energieverbund in Freilassing ist beispielgebend für andere bayerische Kommunen und demonstriert eindrucksvoll, wie die Strom- und Wärmeversorgung in einem Quartier über heimische erneuerbare Energien aus Klärgas, Biomasse, Grünschnitt und Photovoltaik, kombiniert mit hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung, ganzjährig wirtschaftlich machbar ist.
Alois Müller GmbH
Green Factory – Die CO2-neutrale Fabrik
Am Hauptstandort Ungerhausen im Allgäu erfolgt seit 2019 auf ca. 18.000 m² eine klimaneutrale Produktion von einer Vielzahl an Produkten für Energie- und Gebäudetechnik. Rund 200 Mitarbeiter arbeiten hier in der Fertigung und Verwaltung. Die Green Factory hat Vorbildcharakter für eine CO2-neutrale Produktion in der Praxis. Das Alleinstellungsmerkmal besteht in der Festlegung der Fertigungsschritte in Abhängigkeit von Wetterprognose und Arbeitskräften. Die benötigte Energie wird von einer Photovoltaikanlage der Leistung 1,1 MW, einem Blockheizkraftwerk und einer mit nachwachsenden Rohstoffen betriebenen Holzpelletheizung erzeugt.
Unterschiedliche Speichermedien gleichen Schwankungen in der Erzeugung aus. Grundlage für die klimaneutrale Produktion ist die genaue Analyse aller Energie- und Stoffströme der einzelnen Fertigungsschritte. Diese Daten werden mit der aktuellen Wettervorhersage und der Auftragslage abgeglichen. Im Anschluss erfolgt die Planung für die Produktion. Nicht nur die Fertigung ist auf das Angebot an Solarstrom zugeschnitten. Die Medien Druckluft, vollentsalztes Wasser und Stickstoff werden bei Sonnenschein produziert, vorzugsweise am Wochenende. Sie werden in Tanks gelagert und dienen als Speicher für erneuerbare Energie. Wenn keine photovoltaische Energieerzeugung möglich ist, wird die elektrische Energie von der Energiezentrale mit einem Blockheizkraftwerk bereitgestellt; dieses wird ausschließlich mit Ökogas betrieben. Ein Pufferspeicher speichert Wärme aus dem Pelletkessel. Überschüssige Solarenergie wird in einer Batterie mit der Kapazität von 230 kWh gespeichert. Ein benachbartes Unternehmen wird mit Wärme direkt mitversorgt.
Die Green Factory ist mit ihrem nachhaltigen Energiekonzept für viele Unternehmen beispielhaft. Die Alois-Müller-Gruppe ist seit 1973 vom traditionellen Familienbetrieb zum mittelständischen inhabergeführten Unternehmen mit über 600 Mitarbeitern an zwölf Standorten gewachsen. Alois Müller ist Spezialist für Energie- und Gebäudetechnik (Heizung, Lüftung, Sanitär, Kälte, Elektro) sowie den industriellen Anlagenbau.
Siemens Energy & Evonik AG
Herstellung von Chemikalien aus Kohlendioxid und Ökostrom
Durch Kopplung zweier innovativer Prozesse, Elektrolyse (Siemens) und Gasfermentation (Evonik), werden unter Einsatz von Kohlendioxid (CO2), Wasser und erneuerbarem Strom Spezialchemikalien oder auch synthetische Kraftstoffe hergestellt. Bei Siemens in Erlangen wurde dafür die Niedertemperaturelektrolyse von CO2 entwickelt, welche mittels Strom aus erneuerbaren Quellen CO2 in CO umwandelt und damit das CO2 nutzbar macht.
Die über Elektrolyse hergestellten Gase CO und H2 sind Ausgangstoffe für eine nachhaltige Synthese von Chemikalien oder auch synthetischen Kraftstoffen. Bei der Fermentation wird das hergestellte Synthesegas durch spezielle Mikroorganismen in Chemikalien umgewandelt. Mit der Elektrolysetechnik und der Biotechnologie bringen Siemens und Evonik jeweils ihre Kernkompetenzen in diese technische Photosynthese ein.
Ein erstes Demonstrationsprojekt der Technologie wurde am Evonik-Standort in Marl (NRW) erfolgreich umgesetzt.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt das Projekt im Rahmen einer Förderinitiative zur Energiewende mit dem Projektnamen Rheticus. Die hergestellten Chemikalien sind Butanol und Hexanol, die z. B. für Spezialkunststoffe oder Nahrungsergänzungsmittel verwendet werden können. Weltweit einmalig sind in dieser Größenordnung sowohl die in Bayern entwickelte Niedertemperaturelektrolyse von CO2 und die Skalierung und der Betrieb einer vollkontinuierlichen Chemikaliensynthese aus Elektrolysegas als auch die Kopplung der beiden Prozesse CO2-Elektrolyse und Fermentation. Im nächsten Schritt kann eine Produktionskapazität von 20.000 Tonnen pro Jahr erreicht werden. Die Anlage stößt sowohl im industriellen als auch im wissenschaftlichen Bereich auf große Resonanz. Die Technologie kann einen wichtigen Beitrag zur Realisierung der Klimaziele leisten, da hier der Einsatz von elektrischem, regenerativem Strom als Energiequelle und CO2 als Kohlenstoffquelle für die Synthese von Rohstoffen der chemischen Industrie wirtschaftlich ermöglicht wird. CO2 und Strom ersetzen somit die heute verwendeten fossilen Rohstoffe Erdöl und Erdgas in der Chemieindustrie. Siemens Energy, Erlangen, bündelt das globale Energiegeschäft des Siemens-Konzerns, der seit mehr als 150 Jahren an kundenorientierten Lösungen für Industrie und Gesellschaft arbeitet und mit rund 90.000 Mitarbeitern weltweit die Energiesysteme von morgen mitgestaltet. Evonik ist ein weltweit führendes Unternehmen der Spezialchemie und mit 32.000 Mitarbeitern in über 100 Ländern der Welt tätig.
heilergeiger architekten und stadtplaner BDA & Alois Goldhofer Stiftung
Kita Karoline Goldhofer
Die Kita Karoline Goldhofer ist ein Gemeinschaftsprojekt. Da ist zum einen die Goldhofer Stiftung, die die materiellen Voraussetzungen für die Planung der Kita geschaffen hat; ins Leben gerufen wurde die Stiftung von einer örtlich gut verankerten Unternehmerin, die ihr Wohnhaus als Kindertagesstätte weitergenutzt sehen wollte. Hinzu kommen die Architekten Heilergeiger, die sich mit einem mutigen, den Bestand und natürliche Energiequellen nutzenden Konzept in einem Wettbewerb durchsetzen konnten. Und dann die Stadt Memmingen als Betreiberin, die mit dem auf Wieder- und Weiterverwendung von bereits Gebrauchtem ausgelegten Ansatz der Reggio-Pädagogik im Konzept der Architekten ein gutes Werkzeug in die Hand bekommen hat.
Die Mauern der Bestandsgebäude wurden erhalten und teils direkt und teils mit Distanz von einer durchscheinenden Hülle umgeben. Die neue Hülle aus recycelbarem Polycarbonat ist Kollektor von Licht und Energie. Sie erlaubt es, die Bestandswände ungedämmt zu belassen. Die energetische Sanierung schafft damit im Gegensatz zum konventionellen „Dämmpullover“ neuen Raum. In den kalten Jahreszeiten wird die durch die Fassade gewonnene passivsolare Energie für den Wärmehaushalt des Gebäudes genutzt. Im Sommer unterstützen die Speichermasse des Bestands und eine Regenwasserzisterne die natürliche Kühlung des Hauses. In den Zwischenräumen entstehen eine „Piazza“ und andere vielseitig nutzbare Bereiche.
Der Aufbau der Fassade wird in Variationen der Himmelsrichtung angepasst und trägt zur Energiegewinnung bei. Bestandsmauern, Photovoltaik, eine Wärmepumpe und eine Zisterne werden so zu einem effizienten Energiesystem gefügt, das im ganzen Jahresverlauf gute Aufenthaltsbedingungen bietet und bei Erstellung und Betrieb sparsam mit CO2 umgeht. Durch den weitestgehenden Erhalt des Bestands mit 75 Prozent und damit der Reduzierung von zusätzlicher „grauer Energie“ werden die Stärken des Bestands für den Klimaschutz genutzt. Der regenerative Anteil von 82 Prozent beim Heizen und Kühlen reduziert den CO2-Verbrauch, der bereits jetzt mit 4,98 kg/m²a dem Klimaziel 2050 entspricht. Demnach folgt auch das energetische und ökologische Konzept der Reggio-Idee der Wertschätzung und Aktivierung des Bestehenden. Das pädagogische, das energetische und das architektonische Konzept ergänzen sich zu einer auf Wertschätzung des Vorhandenen und des Materials ausgelegten Gesamtstrategie, die nicht nur zukünftige Grenzwerte unterbietet, sondern einen unverwechselbaren und vielfältig erlebbaren Ort für Kinder schafft.
Die Preisjury sieht hier einen herausragenden Beitrag zum Bauen der Zukunft. Das Gebäude ist beispielhaft durch erfolgreiche Nutzung und Einbindung von einmaligen Gelegenheiten, die leider allzu oft ungenutzt vernachlässigt werden.
Stadtwerke Rosenheim GmbH & Co. KG & SolarNext AG
Umweltfreundliche Kälteversorgung „Bahnhof Nord“
Die Stadtwerke Rosenheim setzen auf eine nachhaltige und volkswirtschaftlich sinnvolle Energieversorgung und arbeiten seit Jahren konsequent an der Umsetzung ihrer ehrgeizigen Klimaschutzziele. Die umweltfreundliche Kälteversorgung des Quartiers „Bahnhof Nord“ kann als Weiterentwicklung des Gedankens verstanden werden, Kälte stets energieeffizient und CO2-minimiert Kunden zur Verfügung zu stellen und wird derzeit gemeinsam mit der beauftragten Firma SolarNext AG aus Bernau realisiert: In diesem Projekt kommen thermisch betriebene Absorptionskältemaschinen mit dem natürlichen Kältemittel Wasser zum Einsatz. Als Antriebsenergie wird Abwärme verwendet, die durch das von den Stadtwerken Rosenheim betriebene Müllheizkraftwerk in den Sommermonaten im Überschuss vorhanden ist. Damit wird vorhandene Wärme zur Kühlung genutzt. In der Endstufe soll sich das Kältenetz über die Innenstadt von Rosenheim erstrecken.
Der Strombedarf für die gesamten Absorptionskälteanlagen (inkl. Pumpen und Rückkühlwerk) ist bis zu 90 Prozent geringer als bei Kompressionskälteanlagen, die CO2-Emissionen sind im Vergleich zu einer traditionellen Kälteanlage um ca. 85 Prozent reduziert. Die Versorgung mit Kälte wächst in ihrer Bedeutung, da einerseits die Nachfrage steigt und andererseits die Kälte in großen zentralen Anlagen sehr viel effizienter erzeugt werden kann als in Kleinanlagen. Dies erfordert die Errichtung von Kältenetzen, die die verschiedenen Kälteanlagen und Verbraucher miteinander verbinden. In Kombination mit der bestehenden Fernwärme entsteht hier ein System der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK), das langfristig die Innenstadt sehr umwelt- und klimafreundlich, aber auch preiswert und sicher mit Kälte versorgen kann.
Die Stadtwerke Rosenheim und SolarNext AG haben ein vorbildliches Projekt entwickelt, das auch auf andere Stadtwerke und Kommunen übertragbar ist. Es ist wünschenswert, dass diese Option bei der Entwicklung von Quartierskonzepten/Verbundlösungen vermehrt evaluiert wird, so dass zukünftig auch in anderen Kommunen diese nachhaltige Lösung zur Kühlung der Wohnungs-, Arbeits- und Serverräume zur Verfügung steht.
Finanzamt Landshut
Energie- und Umweltmanagement am Finanzamt Landshut
Energiewende in der Verwaltung, ist das möglich? Im Jahr 2014 wurde am Finanzamt Landshut auf Initiative der Amtsleiterin Elisabeth Fett bayernweit das erste Energiemanagement einer öffentlichen Verwaltung eingeführt und wird bis heute von Willi Forster in seiner Zusatzfunktion als ehrenamtlicher „Energiemanager“ erfolgreich geleitet. Der Stromverbrauch konnte in den vergangenen fünf Jahren um 50 Prozent und der Wärmeverbrauch in den vergangenen vier Jahren um über 30 Prozent gesenkt werden. Somit konnte das Finanzamt Landshut als staatliche Behörde einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten.
Aufgrund der bescheidenen eigenen Finanzmittel wurde eine Strategie entwickelt, Energieeinsparungen durch Bewusstseinsänderung in Kombination mit technischen Maßnahmen zu erzielen. Durch verschiedene Aktionen zur Mitarbeitermotivation (wie z.B. Energietag, Ausstellung „Energiewende“) und gezielte technische Maßnahmen wie Bewegungsmelder in den Fluren und LED-Beleuchtung in Fluren und Treppenhaus konnten in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 140.000 € bzw. 130 t CO2 eingespart werden.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Umweltbildung der Auszubildenden, welche eine Multiplikatorenrolle einnehmen. Bei der Versetzung in andere Finanzämter nehmen die Anwärter die Ideen aus Landshut in die neuen Dienststellen mit. Im Mobilitätsbereich ist die Teilnahme des Finanzamts seit Jahren bei der bundesweiten Aktion „Stadtradeln“ mit teilweise über 100 Radlern (Teamname: „radelnde Raubritter“) zu erwähnen. Teil des Energiemanagements ist auch, dass das Bemühen, Energie zu sparen, nicht nur im Finanzamt Landshut wirkt, sondern auch innerhalb der gesamten Finanzverwaltung in Bayern. Auf Initiative des Finanzamtes Landshut wurde die Veranstaltungsreihe „Energiewende in der Verwaltung“ zusammen mit C.A.R.M.E.N. e.V. etabliert und tourt seit 2018 durch alle Regierungsbezirke. Das „Modell Landshut“ soll in ganz Bayern Nachahmer finden und passt in vorbildlicher Weise zur bayerischen Strategie einer klimaneutralen Verwaltung bis 2030.
Dissertation „Alternating Current – Social Innovation in Community Energy“ – „Wechsel-Strömung – Soziale Innovation in Bürgerenergieprojekten“ (Dr. Arwen Colell)
Neben einer Steigerung der Energieeffizienz in allen Anwendungsbereichen muss der Ausbau erneuerbarer Erzeugung deutlich beschleunigt werden. Dazu im Widerspruch steht z. B. der stagnierende Ausbau der Onshore-Windenergie. Auf Bund- und Länderebene wird über Abstandsregelungen für Windräder debattiert, während die Forschungsergebnisse zeigen, dass Abstandswerte und höhere Akzeptanzwerte nicht zwangsläufig zusammenhängen. Dr. Arwen Colell untersuchte die Bedeutung bürgereigener Energieprojekte in der Energiewende. Für ein erfolgreiches Bürgerenergieprojekt braucht es demnach eine überzeugende Geschichte. Der Aufbau eines zukunftsfähigen Energiesystems muss mit neuen Entscheidungs- und Besitzstrukturen auf lokaler Ebene verbunden werden. Das verändert die mit dem Energiesystem verbundenen Werte auf lokaler Ebene, in der Bevölkerung und im Gemeinderat.
Frau Colell stellt die Frage: Was motiviert Bürgerinnen und Bürger, sich um die Umsetzung eines neuen Energiesystems zu kümmern, und welche politischen Maßnahmen fördern diese Prozesse? Sie untersucht Projekte aus Deutschland, Dänemark und Schottland und vergleicht – mit überraschenden Übereinstimmungen – die jeweiligen Motivlagen wie z. B. Gemeinschaft, Besitz, Verantwortung und Selbstwirksamkeit. Die Schlussfolgerung: Politikinstrumente, die vor allem auf eine finanzielle Förderung abzielen, haben geringe Erfolgsaussichten, wenn nicht andere lokal relevante Argumente greifen. Bürgerenergieprojekte (Wind, PV, Netzausbau etc.) haben starken Einfluss auf die Einstellung der Menschen zur Energiewende.
Die Dissertation verhilft uns zu einem tiefergehenden Verständnis gesellschaftlicher Akzeptanz. Sie liefert darüber hinaus zentrale Hinweise zum Gelingen der Energiewende: lokale Strukturen, die technologischen Wandel und finanzielle Investitionen in gemeinsam entwickelte Organisationsstrukturen auf der Grundlage geteilter Werte integrieren, sind der Schlüssel zum Gelingen der Energiewende. Sie verfolgt einen innovativen Ansatz zum Verständnis der gesellschaftlichen Dimension der Energiewende und liefert neue Erkenntnisse für die Akzeptanz.
Dr. Arwen Colell studierte Politikwissenschaften in Deutschland, Japan und den USA mit dem Schwerpunkt Energie- und Verkehrswende. Nach Tätigkeiten in einem Start-up im Bereich Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und als Mitbegründerin der Stromnetzkaufgenossenschaft BürgerEnergie Berlin eG (mit aktuell 2.000 Mietern) im Jahr 2011 ist sie heute Policy-Analystin eines führenden Klima-Think Tanks in Berlin.
Dissertation „Aging of Lithium-Ion Batteries in Electric Vehicles“ – „Alterung von Lithium-Ionen–Batterien in Elektrofahrzeugen“ (Dr.-Ing. Peter Keil)
Der zur Erreichung der Klimaziele erforderliche Ausbau der erneuerbaren Energien bringt immer höheren Speicherbedarf mit sich, um die zunehmende Kluft zwischen wetterabhängiger Erzeugung und nutzerbedingtem Verbrauch zu überbrücken. Das betrifft zwar alle Sektoren; das Zusammenspiel von erneuerbarer Stromerzeugung und Stromspeicherung spielt jedoch für die Elektromobilität eine ganz entscheidende Rolle.
Die Untersuchungen von Dr. Peter Keil zeigen u. a., dass die Schädigungen durch die Bremsenergierückgewinnung während des Fahrbetriebs deutlich geringer ausfallen als in der Fachwelt bislang angenommen. Diese Erkenntnis erlaubt es, bei Elektrofahrzeugen die Bremsenergierückgewinnung stärker zu nutzen und so die Effizienz und Reichweite der Fahrzeuge weiter zu steigern. Für den Batteriebetrieb bei tiefen Temperaturen offenbaren die Untersuchungen von Dr. Peter Keil bislang nicht beschriebene Schädigungsmechanismen. Auch die Alterungs-Nebenreaktionen während Phasen der Nichtbenutzung werden jetzt besser verstanden.
Die Arbeit von Dr. Keil präsentiert für die praktische Anwendung überzeugende Strategien, mit denen Entwickler und Hersteller von Elektrofahrzeugen eine längere Lebensdauer und damit Kostensenkung ihrer Batteriesysteme erzielen können. Verschiedene Forschergruppen (insbesondere in USA und Deutschland) haben bereits die Analyseverfahren von Dr. Keil aufgegriffen und nutzen diese für den Aufbau und die Validierung von Alterungsmodellen. Die von Dr. Keil erstellten Publikationen wurden bis heute 679 mal in Fachpublikationen zitiert.
Dr. Peter Keil studierte mit Förderung durch das Bayerische Begabtenförderungsprogramm und durch das Max-Weber-Programm von 2004 bis 2010 Maschinenbau an der TU München. Schon in seiner Diplomarbeit befasste er sich mit Batteriemodellen und Energiemanagementstrategien für Elektrofahrzeuge. Seine berufliche Laufbahn begann er 2010 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Andreas Jossen am Lehrstuhl für Elektrische Energiespeichertechnik der TU München mit der elektrischen und thermischen Charakterisierung von Lithium-Ionen-Batterien. Von 2016 bis 2018 war er dort wissenschaftlicher Mitarbeiter und Unternehmensgründer im TU-EXIST Forschungstransfer-Projekt „Li.plus“ im Bereich Schnelltests in der Batterieproduktion. 2018 gründete er ein weiteres Unternehmen: die Battery Dynamics GmbH mit Kunden aus der universitären Batterie-Forschung und der deutschen Automobilindustrie. Er erhielt mehrere namhafte Auszeichnungen.
Impressionen der Veranstaltung
