Aiwanger: "Bestehende Erdgasnetze auf Wasserstoff umstellen anstatt neue Parallelstrukturen des Bundes aufbauen! Deutschland braucht noch in diesem Jahrzehnt ein leistungsfähiges H2-Startnetz"

MÜNCHEN  Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger erteilt den Überlegungen des Bundes zur Gründung einer staatlichen Wasserstoffnetzgesellschaft in Konkurrenz zu den bestehenden Erdgasnetzen eine klare Absage. Aiwanger: "Der Bund ist hier auf dem Holzweg. Wir müssen doch die bestehenden Erdgasnetze und das Fachwissen und Personal der jetzigen Erdgasnetzbetreiber nutzen und diese Strukturen Schritt für Schritt auf Wasserstoff umstellen anstatt zu glauben, die Bundesregierung könne alles besser und macht das selbst. Dieser realitätsferne Plan der Konfrontation gegen bestehende, über Jahrzehnte aufgebaute Strukturen würde zwangsläufig schief gehen und die Einführung der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland torpedieren statt befördern. Wenn der Bund bei der Wasserstoffnetzplanung jetzt auf die Bremse tritt, ist ein deutschlandweites Startnetz in diesem Jahrzehnt nicht mehr zu schaffen. Dabei müssen wir jetzt rasch Geschwindigkeit aufnehmen, um eine Wasserstoff-Infrastruktur zu schaffen. Ich kann die Bundesregierung nur dringend bitten, sich mit den Wirtschafts- und Energieministern der Länder und der existierenden Erdgaswirtschaft schnellstmöglich an einen Tisch zu setzen und zu klären, wie wir hier am sichersten zum Erfolg kommen können."

 

Wenn die derzeitigen Erdgasnetzbetreiber ihre für Wasserstoff vorgesehenen Netze an die neue Gesellschaft verkaufen müssten, entfalle der Anreiz, in den Netzausbau zu investieren. Zudem würden sie mit dem Wegfall der Wasserstoffnetze für sich jegliche Perspektive hin zu einer klimaneutralen Zukunft ihres Geschäftsfeldes verlieren, erläutert Aiwanger. Damit wären die jetzigen Erdgasnetzbetreiber ja geradezu gezwungen, ihre fossilen Geschäftsmodelle gegen die Umstellung auf Wasserstoff mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, um sich nicht selbst das Grab zu schaufeln. Der Aufbau einer neuen staatlichen Gesellschaft dieser Dimension werde zwangsläufig scheitern, wie die politische Realität auf vielen anderen Politikfeldern zeige. Das würde viel Zeit, Geld und Rechtsstreit in Anspruch nehmen, ohne die Ausgangssituation für die Netzentwicklung zu verändern. Das blockiere dringend notwendige Ressourcen gerade dann, wenn es gilt, bestehende Strukturen und Kompetenzen bei den Netzbetreibern bestmöglich zu nutzen.

 

Für einen raschen Wasserstoffhochlauf müssen die EU-Entflechtungsvorgaben für Erdgas- und Wasserstoffnetze mit Augenmaß gestaltet werden. Deshalb fordert Bayern einfache und praktikable Regelungen analog zu den bestehenden Vorschriften für das Erdgasnetz.

 

Aiwanger: "Es ist nicht nachvollziehbar, warum die bislang bewährten Regelungen nun für die Wasserstoffnetze nicht mehr gelten. Zudem liegen mit den Vorschlägen der Deutschen Energie-Agentur seit Monaten alternative Finanzierungskonzepte für tragbare Netzentgelte in der Markthochlaufphase auf dem Tisch. Die Pläne des Bundes bauen nicht auf diesen Vorschlägen auf, sondern bremsen vielmehr die schnelle Entwicklung der Wasserstoffinfrastruktur aus der Gasinfrastruktur heraus und verhindern Synergien zwischen dem Gasnetz- und dem Wasserstoffnetzbetrieb bei den Netzbetreibern. Ein volkswirtschaftlich sinnvoller Aufbau der Wasserstofftransportinfrastruktur unter Nutzung der bestehenden Erdgasleitungen kann so nicht gelingen. Für die Transformation hin zu einer Wasserstoffwirtschaft müssen Planung, Ausbau und Betrieb der Wasserstoffinfrastruktur gemeinsam mit dem bestehenden Gasnetz gedacht werden."

 

Anlass für Aiwangers erneuten Appell an den Bund, die bestehenden Erdgasstrukturen unter Einbeziehung der jetzigen Betreiber weiterzuentwickeln anstatt diese abzuwickeln und neue Strukturen gründen zu wollen, ist ein aktuell bekanntgewordenes Strategiepapier des Bundes folgenden Inhalts:

  • "Eine Wasserstoffnetzgesellschaft mit nationaler Beteiligung plant, realisiert und stellt Leitungen bereit."
  • "Eine zentrale Rolle bei der zukünftigen Planung der Wasserstoffnetze wird bei einer zu gründenden Wasserstoffnetzgesellschaft mit staatlicher Beteiligung liegen."
  • "Durch die staatliche Beteiligung an der Wasserstoffnetzgesellschaft kann die Finanzierung der notwendigen Investitionen zu günstigen Finanzierungsbedingungen sichergestellt werden."
  • "Mittelfristig soll die Wasserstoffnetzgesellschaft die bisherigen Wasserstoffleitungen sowie umzunutzende Erdgasleitungen erwerben sowie Planung und beschleunigte Umsetzung eines deutschlandweiten Zielnetzes für den Wasserstofftransport im Jahr 2030 umsetzen."

Dazu sagt Aiwanger: "Ich gehe davon aus, dass dieses interne Papier als Versuchsballon absichtlich in Umlauf gebracht wurde, um die Reaktion der Politik und Fachwelt zu testen. Meine Reaktion darauf ist klar: wenn man erfolgreich sein will, braucht der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft bewährte Praktiker, keine theoretischen Planspiele am grünen Tisch. Es sei denn, man will den Karren an die Wand fahren. Dann muss man die Praktiker vom Hof jagen und mit Theoretikern sein Glück versuchen." 

 

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Pressemitteilung-Nr. 594/22
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